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Oktober 2015
P. Kaufmann stellt sich vor
Mit der Doppik halten betriebswirtschaftliche Elemente wie die Budgetierung, Kosten- und Leistungsrechnung und die Erstellung einer Bilanz Einzug in die kommunale Haushaltswirtschaft der Gemeinde Willstätt. Wir haben uns mit Rechnungsamtsleiter Philip Kaufmann darüber unterhalten.
Herr Kaufmann, 2017 löst die sogenannte Doppik (Doppelte Buchführung in Konten) die althergebrachte Kameralistik ab. Wie ist der Stand der Dinge?
Philip Kaufmann: Derzeit läuft die Vermögensbewertung in der Kommune. Sämtliche beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenstände der Gemeinde müssen bewertet werden. Betroffen sind zum Beispiel knapp 2000 Grundstücke und rund 65 Gebäude, die separat erfasst und bewertet werden müssen. Das erledigt für uns ein externer Dienstleister, der darauf spezialisiert ist.
Welche Vorteile bringt die Doppik der Gemeinde?
Kaufmann: Sie bewirkt einen höheren Informationsgehalt, der zu einer besseren Steuerung der Gemeinde und damit zu einer Steigerung von Effizienz und Leistungsfähigkeit führt. Die Doppik ermöglicht einen genaueren Überblick über das vorhandene Vermögen, die Schuldenlast und über den Wert der kommunalen Leistungen. Wenn Bürger und Gemeinderat noch besser die finanzielle Lage der Gemeinde erkennen können, dann führt dies zu einer höheren Transparenz.
Wo liegen die Unterschiede zur Kameralistik?
Kaufmann: Die Kameralistik ist ein veraltetes Rechnungswesen. Die einfach gestrickte Einnahmen- und Ausgabenrechnung berücksichtigt lediglich die Zahlungsströme, sodass nur der Geldverbrauch der Kommune dargestellt wird. Der tatsächliche Ressourcenverbrauch, wie etwa die Gebäudeabnutzung, wurde bislang nicht vollständig erfasst. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Anders als in der alten Gemeindeordnung ist die Gemeinde nun verpflichtet, den Werteverzehr ihrer Vermögensgegenstände (Abnutzung von Hallen, Spielplätzen, Fahrzeugen) vollumfänglich zu erwirtschaften. Dadurch darf die Gemeinde künftig nur so viele Ressourcen verbrauchen, wie sie auch in der Lage ist, sie durch Steuern, Gebühren und Beiträge zu refinanzieren.
Welche Vorarbeiten sind von der Gemeinde aus nötig?
Kaufmann: Zuerst kommt das bereits angesprochene Thema Vermögensbewertung. Ein Unternehmer stellt sein Vermögen zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit in einer Eröffnungsbilanz dar, die Gemeinden machen dies nun im laufenden Betrieb zu einem von ihnen gewählten Stichtag, in Willstätt ist dies der 1. Januar 2017. Kernelement der Doppik ist der Produkthaushalt, quasi das Dienstleistungsangebot der Gemeindeverwaltung. Darin wird definiert, welche Dienstleistungen die Gemeinde wahrnimmt. Als letztes wird der Produkthaushalt mit Leistungsinformationen gegliedert und auf verdichteter Ebene in einen Gesamthaushalt überführt. Dieser wiederum wird dann in den politischen Gremien im Rahmen der Haushaltsplanung beraten.
Sie haben schon Erfahrungen mit Umstellungsprozessen gemacht. Wo und wie?
Kaufmann: Bevor ich Kämmerer in Willstätt wurde, war ich als Projektleiter bei der Großen Kreisstadt Achern für die Umstellung auf die Doppik im Rahmen des Doppelhaushalts 2012/13 verantwortlich und zuvor beim Landratsamt Lörrach als stellvertretender Teilprojektleiter maßgeblich an der Umstellung des Kreishaushalts 2011 beteiligt. 2008 war ich im Landratsamt Ortenaukreis an den Vorarbeiten zur Doppikumstellung 2011 beteiligt. Die Gemeinde Willstätt rundet nun die »Umstellungswelle« in den verschiedenen kommunalen Ebenen für mich ab. Besonders erfreulich ist für mich, dass ich die Hochschule Kehl als Kooperationspartner gewinnen konnte. Mein ehemaliger Chef in Lörrach Jürgen Kientz – damals Finanzdezernent und heute Professor für Verwaltungsmanagement an der Hochschule Kehl – begleitet aktuell auch in Willstätt die Umstellung mit.
Ist das Ganze nicht zu aufwendig für Gemeinden, die keine 10 000 Einwohner haben?
Kaufmann: Zugegeben, kleine Kommunen haben es bei solch einem Umstellungsprozess deutlich schwerer, da sie personell nicht so stark besetzt sind wie größere Einheiten. Deshalb haben bis heute auch nur 123 von 1092 kreisangehörigen Gemeinden die Doppik eingeführt. Gleichzeitig ist dies eine Chance für den Nachwuchs. Junge und dynamische Absolventen im Bereich Wirtschaft und Finanzen haben einen Wissensvorsprung und sind deshalb sehr begehrt. Das Land hat die Übergangsfrist zur Doppik-Einführung von 2016 auf 2020 verlängert. Zudem gibt es zwischenzeitlich einige Erleichterungsvorschriften, die es kleinen Kommunen ermöglichen, das Umstellungsprojekt mit einer niedrigeren Hürde zu meistern.
Ist das neue System nicht arg kompliziert, oder nur Gewöhnungssache?
Kaufmann: Meines Erachtens ist es reine Gewöhnungssache. Für Bürger wird es verständlicher, da die Gemeinde künftig ihre Buchführung stärker an die Ausrichtung privater Unternehmen orientiert. Die dort verwendeten Begriffe wie Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Eigenkapital, Abschreibungen und so weiter tauchen nun auch im Haushalt der Gemeinde auf und schaffen somit die notwendige Transparenz, die es dem interessierten Bürger ermöglichen, leichter einen Überblick über die Finanzsituation der Gemeinde zu erhalten. Auch für die ehrenamtlichen Mandatsträger wird das neue System eine Bereicherung bringen. Es steigert die Qualität der Beratungen, wenn künftig über Ziele, Leistungen und deren konkreten Ausprägungen gesprochen wird, anstatt nur pauschale Mittelbereitstellungen für irgendwelche Organisationseinheiten zu fordern.
Müssen die Gemeinde- und Ortschaftsräte sich auf eigene Faust informieren oder werden sie gezielt auf die Umstellung vorbereitet?
Kaufmann: Für die Gemeinderäte wird es eine spezielle Grundlagenschulung geben, in welcher die wesentlichen Inhalte zur Kommunalen Doppik sowie eine Anknüpfung an die bisherige Kameralistik vermittelt werden. Daneben werden wir im Rahmen der Haushaltsplanberatungen für den Haushalt 2017 mit separaten Lesehilfen und Anleitungen anhand von konkreten Beispielen aus dem aktuellen Haushalt die neue Thematik praxisnah veranschaulichen. Den Ortschaftsräten werden im Rahmen der üblichen Informationsveranstaltung zum Haushaltsplan die relevanten neuen Informationen zur Doppik vermittelt.
Thema Teilhabe: Kann der Durchschnittsbürger da noch durchblicken oder muss man dafür Betriebswirtschaft studiert haben?
Kaufmann: Natürlich hat ein »BWLer« seine Vorteile im Detail, wenn es beispielsweise um Liquiditätskennziffern oder Abschreibungsquoten geht – alles in allem ist es meines Erachtens jedoch nur eine Frage, wie gut die Verwaltung ihre eigene Finanzwirtschaft ihren Bürgern erklären kann und will.